21. Tagung der European Association of Substance Abuse

Beginn der Veranstaltung
24.05.2018 09:00 Uhr
Ende der Veranstaltung
27.05.2018 18:00 Uhr
Veranstaltungsort
Wien

Von 24. bis 27. Mai 2018 diskutieren einige der renommiertesten Suchtforscherinnen und Suchtforscher aus Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Niederlande, Schweiz, Slowenien, Ungarn und Österreich im Rahmen der 21. EASAR-Konferenz aktuelle Suchttrends. Die jährliche Tagung der EASAR fand zum 3. Mal in Wien statt und wird vom Kompetenzzentrum Sucht der Gesundheit Österreich GmbH veranstaltet. Schwerpunktthemen waren unter anderem die Versorgung älterer Süchtiger und der Stellenwert der Verhaltenssüchte (Computer, Glücksspiel, Kaufen etc.).

Süchtige werden immer älter

Dr. Alfred Uhl, der die Tagung für das Kompetenzzentrum Sucht der Gesundheit Österreich GmbH organisierte, betonte, dass Sucht heute primär als chronische Erkrankung verstanden werde, die oft Folge einer psychischen Grunderkrankung oder sozialen Problematik sei. Wichtiges Ziel des Suchthilfesystems ist und bleibt es zwar, exzessiv Alkohol konsumierende Personen und Alkohol- sowie Drogenabhängige in Richtung Mäßigung oder Abstinenz zu motivieren, aber für all jene, die ihr Suchtverhalten nicht oder noch nicht einschränken oder einstellen können, muss es medizinische, psychotherapeutische und soziale Hilfestellungen geben, um auch diesem Personenkreis ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und Schäden für die Betroffenen möglichst gering zu halten („harm reduction“). In diesem Sinne ist es zu begrüßen, dass das Suchthilfesystem auch Betreuungsangebote für Alkoholabhängige anbietet, die es nicht schaffen, ihren Alkoholkonsum einzuschränken oder zu beenden, und dass es Angebote wie das Vinzidorf des Pfarrers Wolfgang Pucher für therapieresistente, obdachlose Alkoholiker gibt. Die Bewohner, die sonst mit geringer Lebenserwartung unbetreut auf der Straße leben würden, bekommen so unter gesundheitsfördernden Lebensbedingungen eine medizinische Versorgung. Soziale Beratungs-, Behandlungs- und Wohnmöglichkeiten, bei denen nicht auf Alkohol- oder Drogenfreiheit bestanden wird, sollten in diesem Zusammenhang allerdings noch ausgeweitet werden.

Dr. Martin Busch, Leiter des Kompetenzzentrums Sucht der Gesundheit Österreich GmbH, präsentierte aktuelle Ergebnisse aus dem österreichischen Drogenmonitoring. Polytoxikomaner Konsum mit Beteiligung von Opioiden mache mit Abstand den größten Teil des Problemkonsums illegaler Drogen aus. Derzeit steigen immer weniger Jugendliche und junge Erwachsene in diesen Konsum ein. Über die Jahre sei es gelungen, die In-Treatment-Rate von Personen mit Opioidproblematik in der Substitutionsbehandlung massiv zu erhöhen. Aufgrund des chronischen Charakters der Opioidabhängigkeit und der verbesserten Überlebensbedingungen „altert“ die Personengruppe mit Opioidkonsum. 2017 waren etwa 2.500 Personen (13 %) aus der Gruppe in Substitutionsbehandlung Befindlicher 50 Jahre oder älter. Diese „alternde“ Kohorte stellt das Betreuungssystem vor neue Herausforderungen (Multimorbidität, Hepatitis C, steigendes Mortalitätsrisiko, Pflegebedarf, Begleitforschung). Da die Opiatabhängigen immer älter werden und sie wie alle älteren Personen zusehends sozialer Unterstützung bedürfen, wird es auch immer wichtiger, dass es in Betreuungseinrichtungen für ältere Menschen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, die der Substitutionsbehandlung offen gegenüberstehen und ihre Klientel diesbezüglich kompetent unterstützen können.

Forschungsergebnisse von Prof. Anette Nielsen aus Dänemark zeigen, welche Faktoren insbesondere bei älteren Menschen zum exzessiven Alkoholkonsum führen können. Diese Gruppe gewinnt angesichts einer insgesamt „alternden“ Bevölkerung immer mehr an Bedeutung. An Nielsens Universität gibt es eine Reihe von Projekten, die sich mit der Frage auseinandersetzen, mit welchen Freizeit- und Beratungsangeboten ältere Menschen mit Alkoholproblemen erreicht werden können und wie diese Zielgruppe unterstützt werden kann.

Stoffungebundene Süchte rücken in den Fokus der Suchtforschung

Prof. Zsolt Demetrovics aus Budapest beschäftigt sich schon viele Jahre mit Verhaltenssüchten. Er gründete 2011 die Zeitschrift für Verhaltenssüchte und 2016 die Internationale Gesellschaft zum Studium der Verhaltenssüchte (ISSBA), der die wichtigsten Expertinnen und Experten des Felds angehören. Er erläuterte den zunehmenden Stellenwert der Verhaltenssüchte in der Suchtforschung und betonte, dass Verhaltenssüchte mittlerweile auch in den wichtigen internationalen Diagnosesystemen für Krankheiten zusehends als eigenständige Diagnosen anerkannt werden.

Prof. Ludwig Kraus, wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Therapieforschung in München und zuständig für den Bereich Forschung der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern, weist darauf hin, dass Sportwetten in Deutschland als Glücksspiel gelten, während diese in Österreich nicht unter diese Kategorie fallen. Er betont, dass im Zusammenhang mit Glücksspielsucht vor allem das Automatenspiel hohes Suchtpotenzial aufweist und dass gesetzliche Beschränkungen und Spielerschutzmaßnahmen nur dann erfolgversprechend sein können, wenn illegale Angebote, sowohl terrestrischer Art als auch im Internet, erfolgreich kontrolliert werden können.

Dr. Alexandra Puhm, Expertin für Verhaltenssüchte im Kompetenzzentrum Sucht der Gesundheit Österreich GmbH, betonte, Computer, Smartphones und Internet spielten in unserer Gesellschaft eine so wichtige Rolle, dass sie aus dem privaten, schulischen und beruflichen Alltag nicht mehr wegzudenken seien. Da es eine wichtige Aufgabe von Kindern und Jugendlichen sei, sich mit den „neuen Medien“ vertraut zu machen bzw. einen kompetenten Umgang damit zu erlernen, die Nutzung gleichzeitig aber zur Vernachlässigung anderer wichtiger Aufgaben führen könne, entstehen rund um diese Thematik häufig Konflikte im familiären Alltag. Sie rät den Eltern mit Augenmaß und gemeinsam mit den Kindern sinnvolle Nutzungsregeln zu vereinbaren, wobei diese Regeln nicht unflexibel und unrealistisch ausfallen sollten. Die intensive Nutzung neuer Medien stellt in der Mehrzahl der Fälle zwar nur eine vorübergehende Phase im Leben der Jugendlichen dar, dennoch ergibt sich daraus bei einem kleinen Prozentsatz ein echtes Suchtproblem. Um kompetent abklären zu können, wo ein echtes Problem vorliegt und im Bedarfsfall kompetente Beratung und Behandlung anzubieten, bedarf es eines Ausbaus von Anlaufstellen mit kompetenten Fachleuten und Therapeuten/Therapeutinnen, die der Bevölkerung als Ansprechpersonen zur Verfügung stehen.